Wiener Walzer -
die Königsdisziplin des Paartanzes

Inhaberin Inga Wilking mit Tanzlehrer Carsten Matheus Tanzschule Tessmann

Es gibt gewisse Dinge, die im Verlauf der Zeit immer gleich zu bleiben scheinen. Dazu gehört sicherlich die Erwartungshaltung von Menschen, die tanzen lernen wollen.

Noch bevor ich selber Tanzlehrerin werden wollte, aber schon getanzt habe, habe ich einmal eine Umfrage im Fernsehen gesehen. Damals war „Let’s Dance“ gerade noch in den Kinderschuhen und Leute wurden gefragt, was sie in einem Tanzkurs gerne lernen würden. Unterm Strich war die Antwort immer relativ gleich: Discofox und Walzer. Über Discofox habe ich bereits in einem anderen Artikel geschrieben und es ist nahezu selbsterklärend, warum er so geschätzt wird. Deshalb möchte ich hier auch gar nicht näher darauf eingehen.

Der Walzer hatte mich damals jedoch überrascht. Schließlich gibt es so viele andere Tänze, die ebenfalls Spaß machen. Einige Jahre später kann ich die Antwort sehr viel besser durchschauen: Wenn wir an paarweises Tanzen denken, dann denken wir an Filme, Romantik, an Hochzeit und an Bälle – der Wiener Opernball ist hier das bekannteste Beispiel. Wir sehen die Menschen vor uns, wie sie in langen Kleidern und Frack dynamisch über die Fläche zu schweben scheinen, sich dabei um die eigene Achse drehen und sich scheinbar mühelos vom Fleck bewegen. Und wir wissen: Sie tanzen Walzer.

Dabei unterscheiden wir in unserer Vorstellung nicht zwischen dem Langsamen und dem Wiener Walzer. Teilweise ist uns auch gar nicht klar, dass es mehrere Formen des Walzers gibt. Bei diesem Beitrag habe ich mich für den Wiener Walzer entschieden. Zweifellos, beide Formen des Walzers sind romantisch und werden gerne als Hochzeitstanz ausgewählt. Die Königsklasse ist und bleibt jedoch der Wiener Walzer.

Zu 60 Takten pro Minute bewegen wir uns über die Tanzfläche. Das macht 180 Schläge pro Minute und ist eine ganze Menge, wenn man sich vorstellt, dass die Rotationsfiguren pro musikalischen Schlag einen eigenen Schritt vorgesehen haben. Das Workout-Programm kann man mit ein paar Wiener Walzern in Folge also ohne schlechtes Gewissen ausfallen lassen. Seinen gesellschaftlichen Durchbruch erlebte dieser Tanz bereits beim Wiener Kongress 1814/1815, besonders gefördert durch die Musik von Johann Strauss, der auch als „Walzerkönig“ bezeichnet wird. Er ist also der Älteste unserer modernen Gesellschaftstänze und findet bei fast jedem von uns mindestens einmal im Leben seine Anwendung.

Obwohl er zu den schwereren Tänzen gehört und auch hin und wieder durchaus für Diskussionspotenzial sorgen kann, bleibt er nach wie vor beliebt. Und auch die Musik muss nicht unbedingt der klassische Donauwalzer sein. Typische Wiener Walzer Musik wird zwar insbesondere von Streichern gespielt, aber dort hört es noch lange nicht auf. Sowohl die bekannte „Fluch der Karibik“-Melodie, als auch der Titelsong von „Game of Thrones“ gehören dem schnellen ¾ Takt an. „Bed of Roses“ von Bon Jovi, „Nothing Else Matters“ von Metallica, „Piano Man“ von Billy Joel, „Perfect“ von Ed Sheeran und „That’s How It Goes“ von Zoe Wees – sie alle haben den klassischen Wiegecharakter der Wiener Walzer Musik. Und das sind nur einige Beispiele. Wiener Walzer ist also noch lange nicht so eingestaubt, wie man es seinem Alter nach glauben könnte.

Gerade in der Ballsaison lohnt es sich, den Wiener Walzer zu erlernen. Er gehört nicht nur zum Allgemeinwissen, sondern ist auch ein Teil des immateriellen UNESCO Kulturerbes. Ganz davon abgesehen, dass ein gut getanzter Wiener Walzer beim Betrachter ordentlich etwas hermacht. Hier reicht es nicht aus, wenn der Herrenpart führt und der Frauenpart folgt. Es ist Teamwork gefragt. Nur wenn beide wirklich mitmachen und sich unterstützen, entsteht das Bild zweier Menschen, die im rasanten Tempo harmonisch über die Fläche schweben.

Mein Lieblingsfakt zum Wiener Walzer übrigens: Er war eine ganze Weile verboten. Durch sein Tempo und die Rotation flogen die langen Kleider der jungen Damen der Gesellschaft so, dass ihre Knöchel frei zu sehen waren. Undenkbar und vor allem unsittlich zu der damaligen Zeit. Ein verrückter Gedanke in der Welt, in der wir heute leben.

Bericht und Fotos:
Inga Wilking, ADTV Tanzschule Tessmann