KidsDance Special Needs -
Tanzen für Kinder mit Behinderungen

Ava-Tanzmariechen

Der Deutsche Tanzsportverband, Teil des Deutschen Olympischen Sportbundes, schreibt auf seiner Homepage folgende Information:


„Die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen ist im deutschen Sport ein wichtiges Thema und in einer Vielzahl von Sportangeboten, Aktionen, Konzepten, Maßnahmen und Programmen in den Sportvereinen verankert.“

Sind das nur leere Worthülsen?
Nein, in der Tat ist Sport für Menschen mit Behinderungen glücklicherweise in Deutschland keine Ausnahme mehr. Gleich mehrere Verbände haben den Para-Sport gut entwickelt und verankert. Auch Kiel ist kein weißer Fleck auf der Landkarte, aber von einem wirklich umfangreichen Angebot für Menschen mit Handicap kann absolut keine Rede sein.

Als Tanzsportverein hat Tanzen in Kiel e.V. sich dem Thema schon vor 10 Jahren verschrieben und freut sich über den inzwischen langjährigen Erfolg einer Rollstuhltanzsportabteilung für Erwachsene. Nordisch Lifestyle berichtete im März 2022 schon einmal darüber.

Tanzen mit behinderten Kindern blieb bislang auf der Strecke. Gebraucht wird natürlich eine ausgebildete Person. Die Verbände bieten meist irgendwo in Deutschlands geographischer Mitte entsprechende Qualifikationen in ausgesprochen langjährigen Ausbildungsgängen zum sogenannten Trainer für Rehabilitation und Neurologie an. Fürs Tanzen ist dann nur noch die zusätzliche ebenfalls langjährige Qualifikation zum Tanzsporttrainer erforderlich. Und schon ist das Thema beendet, denn wer hat schon Lust auf diesen Bildungsmarathon neben dem Hauptberuf?

Beim googlen entdeckt man dann schnell, dass es in Deutschland bislang nur 3 Tanzangebote für Kinder mit Behinderungen gab: In Meppen und Köln sowie in Sigmaringen bei Ravensburg. Ein wohl ganz armes Bild für unser doch so fortschrittliches Land, dachte Liv Jaane Memmert, eine junge ausgebildete Tanzsporttrainerin für Standard, Latein und Kindertanz und rein zufällig auch hauptberuflich in der Sozialarbeit mit Kindern beschäftigt.

Frau Memmert verbrachte nach der Schulzeit ein Jahr in einer US-amerikanischen Kleinstadt. Als Tänzerin suchte sie sich einen Job in der örtlichen Tanzschule. Sie lernte, dass die Tanzschule mit einem großen Selbstverständnis natürlich ein Angebot für behinderte Kinder unterhielt. Bei weiterer Recherche lässt sich feststellen, dass in den USA in fast jeder Tanzschule entsprechende Angebote vorhanden sind.

Eindeutig gibt es also ein viel weiter entwickeltes Selbstverständnis in einem Land, in welchem hingegen qualifizierte Ausbildungen eine weit weniger wichtige Rolle spielen.

Tanzen in Kiel e.V. hat im Sommer die komplizierte Planung und Personalsuche beendet und mit Liv Jaane Memmert Nägel mit Köpfen beschlossen: KidsDance Special Needs war geboren!

Im September ging es los. Angesprochen wurden Kinder und Jugendliche in jedem Alter mit jeder Art von körperlicher und/oder geistiger Behinderung. Ganz nach amerikanischem Vorbild. Bedenken zu einer Einteilung in bestimmte Altersgruppen bzw. in bestimmte Arten von Behinderungen blies Frau Memmert einfach weg. „All dies sei nicht wirklich wichtig!“

Zwei Monate sind inzwischen vergangen und Tanzen in Kiel e.V. freut sich über eine wachsende Gruppe von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen. Die behinderten Kinder betreiben untereinander ihre eigene Art der Inklusion. 7jährige tanzen mit 16jährigen, undenkbar in den zahlreichen Kinder- und Jugendgruppen ohne Behinderte. Rollifahrer, autistische Kinder, viele mongolide Kinder, unterschiedliche geistige und körperliche Beeinträchtigungen – alles in einem Saal – alles überhaupt kein Problem. Viele Kinder kennen sich auch schon vorher aus ihren Tageseinrichtungen und sind es dadurch auch gewohnt, viel lockerer mit ihren persönlichen Unterschieden umzugehen. Untereinander herrscht sogar ein herzlich-rauer Ton.

Das Training – eine wöchentliche Party!

Das Training beginnt immer ganz langsam mit einem gemeinsamen Dehnen, gern auch zur klassischen Musik. Dann kommen die ersten Tanzchoreos zur typischen Kindertanzmusik. Das Fliegerlied von Tim Toupet kannten natürlich alle schon vorher auswendig. Zum Schluss ist immer Zeit für Helene Fischer & Co. Kinder glücklich – Eltern glücklich – Trainerin glücklich! Und jede Woche eine Stunde im Verein mit einer ganz besonders herzlichen und liebevollen Atmosphäre.

Das Tanzen ist aber tatsächlich nicht nur lustiges Hüpfen, sondern ernsthaftes choreographisches Arbeiten. Mitte November gipfelte das in einer ersten Ablage des Deutschen Tanzsportabzeichens. 50 % der Kinder nahmen teil und waren in ihrer ersten Prüfung erfolgreich.

Schon in der ersten Anmeldephase zeichnete sich der Erfolg ab. Eltern von Hamburg bis Süddänemark fragten, ob wir nicht auch zu ihnen kommen können.

Der Mehrwert ist wie immer beim Tanzen sowieso garantiert. Musik ist für fast alle Menschen ein wichtiger Bestandteil des Alltages. Und Musik fordert zur Bewegung auf. Kinder mit motorischen Einschränkungen, mit geistigen oder körperlichen Behinderungen oder sogar in Kombination mit schwerstmehrfachen Behinderungen brauchen die musikalische – sportliche Förderung. Sie schafft die Möglichkeit verborgene Fähigkeiten zu entdecken, freizulegen und für die weitere Lebensentwicklung sinnvoll zu nutzen.

KidsDance Special Needs
Ein paar Plätze sind noch frei!
Donnerstags 15.30 – 16:30 Uhr
www.tanzen-in-kiel.de

Text: Jörg Westphal
Bilder: iStock