Ist das ein Leben mit Mobbing und Bodyshaming?
Hallo meine Lieben,
Ich möchte euch heute gerne einen kleinen Einblick bezüglich der Wirkung von Mobbing und Bodyshaming geben und Euch ein wenig aus meinem eigenen Leben dazu berichten.
Im Jahre 1980 kam ich in einer durchschnittlichen Arbeiter-Familie zu Welt. Mein Vater, leider ein „Berufs-Alkoholiker“, ging damals Vollzeit arbeiten, meine Mutter hatte zwei Teilzeitjobs nebeneinander. Leider reichte das Geld trotzdem vorne und hinten nicht um unsere 5-köpfige Familie zu versorgen. Wir konnten nicht in Saus und Braus leben, wie andere Familien, die in unserem Umkreis lebten und mit deren Kindern ich spielte. Schnell merkten die anderen Kinder den sozialen Unterschied und ärgerten mich damit. In Augen der Kinder damals bestimmt noch nicht persé bösartig gemeint, bei mir hinterließ es allerdings schon seine Spuren.
Erste Erinnerungen dazu habe ich schon aus meiner Zeit im Kindergarten. Meine Kindergarten-Kameraden merkten oft an, dass ich nicht dieselben Markenprodukte in meiner Essensbox hatte wie sie und zogen mich damit auf.Fast jeder Frühstücks-Tag im Kindergarten war schwer für mich. Damals freute ich mich sehr in die Schule zu kommen, denn ich war der Annahme hier wäre alles besser, hier interessiert es schließlich keinen mehr, was in meiner Brotdose ist. Leider war dem nicht so, denn hier fing ein regelrechter Spießrutenlauf an.Meine Mitschüler drangsalierten mich fast täglich mit abwertenden Aussprüchen bezüglich meiner nicht vorhandenen Marken-Kleidung. Ich konnte leider nie mit tollen neuen Sachen auffahren wie meine Klassenkameraden und wurde schnell in die Schublade „Assi-Kind“ gesteckt, war der Prellbock für alle anderen.
Meine Schwester regelte diese Anfeindungen stets mit körperlichen „Argumenten“, was allerdings nie meine Art war. Zu Hause erlebte ich fast täglich psychische und körperliche Gewalt bzw. Ablehnung schon durch meinen Vater, daher war es für mich ein absolutes No-go diese Art der Kommunikation selbst auch zu benutzen. Denn „Gewalt ist keine Lösung!“, das galt schon damals für mich. Das führte allerdings schnell dazu, dass ich unter meinen Mitschülern als Weichling abgestempelt wurde, der kein Rückrad hat was noch mehr Fiesheiten nach sich zog. So war also die Situation in der Schule. Zu Hause fing der Tag ebenso schlimm an, bzw. endete häufig auch so schlimm. Mein Vater machte mir jede Minute in der wir uns sahen klar, dass ich in seinen Augen nichts wert bin, machte mich runter, machte mich klein. Seiner Meinung nach konnte ich nicht sein Sohn sein, so wie ich war. Als damals der Missbrauch, der mir wiederfuhr ans Tageslicht kam sagte er mir frei ins Gesicht, ich wäre selber Schuld. Natürlich würde ich selbst dafür sorgen, solches Verhalten von Anderen an zu ziehen. Hat die Täter-Opfer -Rolle verdreht und den Täter verteidigt, anstatt mir beizustehen. Als ich dann in die weiterführende Schule kam wurde es leider nicht besser.
In meiner Klasse war man nur Jemand, wenn man Auszeichnungen, Wettkämpfe, Preise gewann. Zwar war ich im sportlichen und künstlerischen Bereich sehr gut und konnte dort häufig glänzen und mir zumindest in diesen Augenblicken den Respekt meiner Klassenkameraden verdienen. Trotzdem gehörte ich nie richtig dazu und bekam oft zu spüren, dass ich das Weichei, die Schwuchtel bin. „Du wirst nie dazu gehören, wir werden dir das Leben zur Hölle machen!“, waren oft noch die seichten Sprüche seitens meiner Schulkameraden. Ich passte halt einfach ihrer Meinung nach nicht in das gesellschaftliche Bild. Im Alter der Pupertät musste ich nun also nicht nur diese Fiesheiten meiner Mitschüler tagtäglich ertragen, plötzlich kam noch meine eigene sexuelle Orientierung dazu, mit der ich umzugehen lernen wollte. Zwischen der Abwertung durch meinen Vater, der psychischen und körperlichen Gewalt durch Andere und meiner persönlichen kleinen Welt tat sich zwangsläufig ein Riesenabgrund auf.
Irgendwann verfiel ich in ein Gedankenkarussell. Fragen wie: “Hat das Leben überhaupt noch einen Sinn, oder wäre es besser für mich für immer zu gehen?!“ spukten fast Minütlich durch meinen Kopf. Irgendwann fing ich an mich selbst zu ritzen, denn der ganze Schmerz in meiner Seele sollte raus. Ich spürte mich selbst meistens gar nicht mehr richtig, nur in diesen Momenten des Ritzens erlangte ich kurze Erleichterung.
Der alltägliche Druck war immens hoch und ich verfiel einige Zeit der Magersucht, doch auch das half nicht wirklich. Als ich dann später meinen Dienst bei der Bundeswehr leistete erhöhte sich der Druck nochmal um einiges, denn ich musste ja gleich doppelt stark und männlich wirken als Soldat. Bloß nicht die anderen merken lassen, das ich homosexuell/schwul bin. Nachdem ich meine Bundeswehr-zeit absolviert hatte erlernte ich den Beruf des Friseurs. Hier merkte ich unfassbar schnell, wie oberflächlich diese Gesellschaft insgesamt ist. Irgendwie fand ich auch hier nicht wirklich meinen Platz.
In den Medien und auch im wahren Leben wird uns ein Bild gemalt, welches mit dem echten Leben eigentlich nicht viel zu tun hat. Du sollst schöner, dein Körper perfekter, dein Leben durchgestylt sein, nur dann bist du Jemand und des Anderen Aufmerksamkeit etwas wert. Nein, all das muss nicht sein. So konnte es nicht weitergehen! Irgendwann machte es bei mir Klick und ich baute mir meinen persönlichen Schutzpanzer. Ich wurde breiter und meine Stimme erhob ich lauter. Natürlich sind all meine erlebten Momente nicht vergessen und ich kämpfe manchmal noch mit den Schatten meiner Vergangenheit, aber ich schaffe es jeden Tag ein Stück mehr mir zu beweisen, dass ich wertvoll bin.
Ich bin Ich und das ist verdammt gut so! ICH BIN GENAU RICHTIG SO WIE ICH BIN.
Heute mit 42 Jahren bin ich selbstbewusst! Ich musste sehr viel in meinem Leben kämpfen und habe so meine negativen Gedanken gehabt, aber ich habe einfach gelernt mich selbst so zu lieben, wie ich bin und ich muss und werde mich NIE für Andere ändern.
Mobbing und Bodyshaming ist nicht immer nur ein gesellschaftliches Problem, was scheinbar weit weg ist, nein, häufig ist es innerhalb der eigenen Familie, des eigenen Freundeskreises zu finden. Familie kann man sich zwar nicht aussuchen, allerding kannst du ihr zeigen, wenn es dir zu weit geht.
Deine Freunde suche dir gezielt aus, denn ein echter Freund, eine echte Freundin will dich nicht verändern, sondern ist um deiner Selbstwillen mit dir befreundet. Selbstreflexion ist nicht jedermanns Sache, allerdings sollte Jeder regelmäßig über sich und sein Handeln nachdenken, denn Worte, die gesagt sind, sind nicht zurückzunehmen und entfalten stets ihre Wirkung, auch wenn sie erstmal nur ein kleiner Keim sind, aus denen später mal ein großer dunkler Busch wird.
Und trotzdem sei dir bewusst darüber letztendlich bist nur du es ganz allein, der sein Leben in der Hand hat.
Anton Tschechow sagte mal: Wenn du das Leben begreifen willst, glaube nicht was man sagt und was man schreibt, sondern beobachte selbst und denke darüber nach.
In diesem Sinne:
Meine Liebe/ mein Lieber, liebe dich so wie du bist, denn du bist einfach nur einmalig und wunderbar!
Ich drücke dich aus der Ferne und wenn du Hilfe brauchst, so scheue nicht davor sie dir zu holen! Nicht jeder schafft den eigenen persönlichen Lebenskampf ohne Hilfe!
Love is Love
Euer Sascha Kugler