Mein Leben vor und nach meinem Coming Out
Da ich schon sehr früh merkte, dass mein Leben anders verläuft und nicht so, wie die Gesellschaft es von mir erwartet, musste ich auch schnell feststellen, was es heißt, anders zu sein. Los ging es mit dem Missbrauch, bei dem ich mich immer fragte, was ich gemacht habe, um so auf einen Menschen zu wirken. Dann der Alkoholmissbrauch und die Gewalt in der Familie. Nichts war so, wie es den Anschein hatte und wie es in anderen Familien abgeht.
Im Kindergarten war eins klar! Sascha wird nie Jungs mit nach Hause bringen! Meine Geburtstagesgäste waren zum größten Teil Mädchen, die mich sehr mochten. So ging es auch weiter in der Grundschule. Sascha war immer ein Mädchenschwarm. Dann fand der Schulwechsel in die Gesamtschule statt, wo ich etwas sehr schnell feststellen musste: Ein Junge, der nur Mädchen um sich schart, hat schnell verloren bei den Jungs. Besonders, weil ich schon beliebt war bei den Mädchen.
So habe ich das erste Mal zu spüren bekommen, was es heißt, anders zu sein. Die ersten verbalen Übergriffe fanden etwa so statt: „Schau dir mal an die Schwuchtel an!“ Und es ging noch viel weiter mit den Beleidigungen, die ich Euch lieber ersparen möchte. Für mich war eins klar: Ich kann nur aus dem Kreis kommen, wenn ich was kann, was die anderen nicht können. Als Kind war ich sehr schlank und echt mega sportlich, und genau das habe ich mir dann zu Nutze gemacht. Ich wurde zweifacher Kreismeister im 1000 m Lauf und habe mit meinem Können Geldpreise für die Klassenkasse gewonnen. Aber auch das war nie genug. Ich musste immer mehr beweisen als andere!
Als in einem Jahr wieder aus den Sommerferien zurückgekommen bin, mussten die Jungs feststellen, dass ich ihnen leider etwas überlegen war. Ich hatte einen körperlichen Schub gemacht und gehörte somit zu den Größten der Klasse. Das habe ich mir da auch wieder zu Nutze gemacht. Denn in diesem Jahr war Basketball sehr im Kommen. Somit war ich bei den Jungs ein gutes Mittel zum Zweck.
Meine Schulzeit war nicht so schön. Sie bestand nur aus Kämpfen, um mich selbst zu finden. Der Gesellschaft ist nicht klar, was ein homosexuelles Leben für Angst bereitet.
Was sich nach meinem Coming Out auch bewahrheiten sollte, man lebt in Angst, auf die Straße zu gehen und jemand könnte es merken. Oder, wie soll man sich richtig verhalten in der Öffentlichkeit, ohne dass jeder es gleich mitbekommt, dass man „Hom“ ist.
Man hat so viel gelesen oder auch mitbekommen, wie die Gesellschaft auf das nicht “normale“ reagiert. Mit Beleidigungen oder körperlichen Gewalt, die ich leider auch erfahren musste.
Menschen haben immer Angst vor dem Fremden und dem nicht Normalen. Alles, was nicht in die Norm passt, wird gesellschaftlich auch nicht akzeptiert. Besonders, wenn man es selbst nicht nachempfinden kann, wie es ist, zu einer Minderheit zu gehören.
Jedes Malhabe ich zu hören bekommen: „Sascha, es ist doch schön, dass Ihr endlich leben könnt, wie Ihr wollt, und Ihr dürft ja nun auch Heiraten. Ja, danke, dass ich endlich so leben darf, wie Ihr es schon immer tut. Frei und offen. Ihr werdet nicht politisch oder gesellschaftlich verfolgt oder wurdet eingesperrt – und nicht zu vergessen, dass man auch noch mit dem Tod rechnen muss.
Gerade wenn man aus einem Kulturkreis kommt, in dem Familienehre groß geschrieben wird, kann Homosexualität niemals erlaubt werden. Man wird verstoßen von der Familie, da man Schande über sie bringt und es nicht in ihr Weltbild passt, so zu leben. Viele haben ein falsches Leben mit Frau und Kind oder Mann und Kind, sie verstecken sich. Sonst müssen sie mit dem Leben bezahlen, um die Familienehre zu bewahren und um in der Gesellschaft ihr Gesicht nicht zu verlieren, denn es ist eine Schande einen homosexuellen Sohn oder eine homosexuelle Tochter zu haben.
Familienehre geht vor allem auch über die Liebe zum eigenen Kind.
Ich kann nur für mich selbst sprechen und aus meiner Sicht, da ich mein Leben lang ein Kämpfer war und bin, war es für mich nur der richtige Weg aus dem Schatten zu gehen, um ein glückliches Leben zu führen, für die nachkommende Generation den Weg leichter zu machen. Auch wenn er mit Bedenken und Angst gepflastert ist. Ich leben offen schwul, was ich bis heute nie bereut habe, da meine Familie und mein Freunde zu mir stehen und meine Lebensweise so nehmen wie sie ist.
Für mich war es immer die beste Entscheidung und diese Endscheidung würde ich auch immer wieder so treffen. Denn ich muss mein Leben führen und nicht das der anderen. Ein Leben als Homosexueller ist nicht leicht und ist mit sehr vielen Hürden verbunden, aber man kann alles schaffen. Mit den richtigen Menschen an seiner Seite.
Mein Leben hat sich in den letzten Jahren sehr verändert, ob privat oder beruflich. Aber alles zum Guten, denn ich habe einen tollen Job und ein noch tolleren Ehemann. Nicht zu vergessen die Familie und Freunde und alle stehen an meine Seite und geben mir Kraft und nur so kann man alles schaffen im Leben.
Ich kann nur jeder Mutter oder Vater raten, liebt Eure Kinder so wie sie sind, denn sie sind aus Liebe entstanden und werden immer ein Teil Eures Lebens sein und bleiben. Denkt immer daran: Love is Love
Nun was für meine treuen Leser: Ich bin so stolz, mit meinem Berichten, die ich mit viel Herz und Gefühl schreibe, Eure Herzen und Gedanken zu berühren. Besonders bin ich sehr dankbar über das, was ich als Feedback bekommen habe. Es erfüllt mich echt mit sehr viel Stolz. Nach meinem letzten Artikel habe ich so viel Zuschriften bekommen und ich glaube ich konnte dem ein oder anderen sehr helfen, so offen Tabuthemen anzusprechen, wie Missbrauch, Gewalt und vieles mehr. Das Leben besteht leider nun mal nicht immer nur aus Sonnenschein, sondern auch aus Regen.
„Bewahre mich davor, über einen Menschen zu urteilen, ehe ich nicht einen Meter in seinen Schuh gegangen bin.“
Ich wünsche Euch viel Licht und Liebe
Euer Sascha Kugler
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